Die Landtagswahl in Thüringen hat ein einmalig schwieriges
Ergebnis erbracht. Eine Mehrheit gegen die AfD war nicht, wie in Sachsen-Anhalt,
Sachsen und Brandenburg, durch ein Keniabündnis zu erzielen, an sich schon eine
Überdehnung all dessen, was wir als Koalition kennen. Deshalb war, oft noch unausgesprochen,
schon am Wahlabend klar, dass es nicht ohne irgendeine Form der Kooperation von
CDU und/oder FDP mit der Ramelow-Linkspartei geht, wenn parlamentarische
Mehrheiten erforderlich sind.
Dass die erwartete Minderheitsregierung von R2G nicht
zustande kam, ist das Ergebnis einer bauernschlauen AfD, einer ratlosen CDU und
einer naiven FDP im Erfurter Landtag. Der MP-Titel von rechtsradikalen Gnaden
wird keinen Bestand haben. Schon sehr bald wird öffentlich werden, dass dieser
Coup nicht ohne Kommunikation zwischen den Fraktionen hinter der MP-Mehrheit erfolgt
sein kann. Die Bundes-CDU wird die Landtagsfraktion zurückpfeifen. R2G kann
schon zur Gesichtswahrung in der auch vor dem Hintergrund der drei Parteigeschichten
brisanten Konstellation gar nicht anders, als jeden Funken von Kooperation mit
Höckes Ministerpräsidenten der Wahl zu meiden.
Noch hilfloser als alle andere Beteiligten agiert der
Bundesvorstand der FDP. In einer Situation, die für die handelnden Personen kaum
unvorhersehbar war, kommt erst mal eine fixe Gratulation von Kubicki und dann,
nach einigen Stunden Schweigen, ein Schwurbelstatement vom Vorsitzenden, dessen
Nettobotschaft wohl hieß, man werde nicht von Berlin aus eingreifen. Während
parallel die Statements der Liberalen mit ethischem Kompass klare Kante gegen
Rechtsaußen fordern, manövriert sich Christian Lindner als zweiter FDPler
dieses Tages in nicht haltbare Position. Als die AfD ihre eigene Raffinesse
bereits öffentlich feiert und den FDP-Kandidaten damit als dummen Jungen
entlarvt, entfacht Lindner durch Nichtstun eine bundesweite parteiinterne
Auseinandersetzung, die nur in dauerhafter Spaltung oder seinem Rückzug enden
kann. Denn der Gesichtsverlust einer Selbstkorrektur wäre für den Ein-Mann-Parteiretter
schwerlich auszuhalten.
Menschen, die anders als ich keine tiefe Sympathie für eine
starke liberale Kraft in Deutschland hegen, müsste das nicht stören. Leider
falsch. Dieser Tag hat nur einen Gewinner. Die AfD, der gerade ihr Mobilisierungsthema
Flucht zu entgleiten drohte, bestimmt nun wieder die Agenda. Aus dem „Wird
man ja wohl noch sagen dürfen“ wird nun ein „Man wird sich ja wohl noch von einer Mehrheit
wählen lassen dürfen“. Jeder kann dabei mitreden, die Emotionalität der Debatte
ist garantiert und das Ergebnis ist eine gefestigte rechte Bubble – mit dem
Führer des Flügels in der Heldenrolle. FDP und CDU haben heute einen starken Impuls
zur Spaltung gesetzt. Eine Spaltung, die durch ihre eigenen Parteien und Wählerschaften
geht, über die in ganz Deutschland gestritten wird und die nicht mal eben wegzumoderieren
ist.
Das gilt auf einer zweiten Ebene auch für die Auseinandersetzung
um die vermeintliche Ost-Identität. Da die CDU – und sehr bald auch die FDP –
auf Bundesebene gar nicht anders können, als ein Ende der Kooperation mit der
AfD in Thüringen zu erzwingen, stehen ihre eigenen Landespolitiker als provinzielle
Deppen da - und die AfD hat ihre Rolle
der einzig echten Ost-Partei kommunikativ gefestigt. Ihr Narrativ von der
Merkel-Herrschaft gegen den wahren Wählerwillen nährt sich so selbst.
Wer rassistischen Opportunisten solche Chancen eröffnet,
egal ob aus Naivität, Postengeilheit oder Kalkül, wird am Ende der Verlierer sein. Parlamentarische Isolierung und die öffentliche Distanzierung garantieren nicht
das Verschwinden des populistischen Rechtsradikalismus. Aber diese Prinzipien
zu verletzten, ist verantwortungslos. Christian Lindner hat heute noch einmal
bewiesen, mit Verantwortung für das Land nicht umgehen zu können.
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