Mittwoch, 5. Februar 2020

Spalter - Thüringen und die Folgen


Die Landtagswahl in Thüringen hat ein einmalig schwieriges Ergebnis erbracht. Eine Mehrheit gegen die AfD war nicht, wie in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg, durch ein Keniabündnis zu erzielen, an sich schon eine Überdehnung all dessen, was wir als Koalition kennen. Deshalb war, oft noch unausgesprochen, schon am Wahlabend klar, dass es nicht ohne irgendeine Form der Kooperation von CDU und/oder FDP mit der Ramelow-Linkspartei geht, wenn parlamentarische Mehrheiten erforderlich sind. 

Dass die erwartete Minderheitsregierung von R2G nicht zustande kam, ist das Ergebnis einer bauernschlauen AfD, einer ratlosen CDU und einer naiven FDP im Erfurter Landtag. Der MP-Titel von rechtsradikalen Gnaden wird keinen Bestand haben. Schon sehr bald wird öffentlich werden, dass dieser Coup nicht ohne Kommunikation zwischen den Fraktionen hinter der MP-Mehrheit erfolgt sein kann. Die Bundes-CDU wird die Landtagsfraktion zurückpfeifen. R2G kann schon zur Gesichtswahrung in der auch vor dem Hintergrund der drei Parteigeschichten brisanten Konstellation gar nicht anders, als jeden Funken von Kooperation mit Höckes Ministerpräsidenten der Wahl zu meiden. 

Noch hilfloser als alle andere Beteiligten agiert der Bundesvorstand der FDP. In einer Situation, die für die handelnden Personen kaum unvorhersehbar war, kommt erst mal eine fixe Gratulation von Kubicki und dann, nach einigen Stunden Schweigen, ein Schwurbelstatement vom Vorsitzenden, dessen Nettobotschaft wohl hieß, man werde nicht von Berlin aus eingreifen. Während parallel die Statements der Liberalen mit ethischem Kompass klare Kante gegen Rechtsaußen fordern, manövriert sich Christian Lindner als zweiter FDPler dieses Tages in nicht haltbare Position. Als die AfD ihre eigene Raffinesse bereits öffentlich feiert und den FDP-Kandidaten damit als dummen Jungen entlarvt, entfacht Lindner durch Nichtstun eine bundesweite parteiinterne Auseinandersetzung, die nur in dauerhafter Spaltung oder seinem Rückzug enden kann. Denn der Gesichtsverlust einer Selbstkorrektur wäre für den Ein-Mann-Parteiretter schwerlich auszuhalten.

Menschen, die anders als ich keine tiefe Sympathie für eine starke liberale Kraft in Deutschland hegen, müsste das nicht stören. Leider falsch. Dieser Tag hat nur einen Gewinner. Die AfD, der gerade ihr Mobilisierungsthema Flucht zu entgleiten drohte, bestimmt nun wieder die Agenda. Aus dem „Wird man ja wohl noch sagen dürfen“ wird nun ein „Man wird sich ja wohl noch von einer Mehrheit wählen lassen dürfen“. Jeder kann dabei mitreden, die Emotionalität der Debatte ist garantiert und das Ergebnis ist eine gefestigte rechte Bubble – mit dem Führer des Flügels in der Heldenrolle. FDP und CDU haben heute einen starken Impuls zur Spaltung gesetzt. Eine Spaltung, die durch ihre eigenen Parteien und Wählerschaften geht, über die in ganz Deutschland gestritten wird und die nicht mal eben wegzumoderieren ist.

Das gilt auf einer zweiten Ebene auch für die Auseinandersetzung um die vermeintliche Ost-Identität. Da die CDU – und sehr bald auch die FDP – auf Bundesebene gar nicht anders können, als ein Ende der Kooperation mit der AfD in Thüringen zu erzwingen, stehen ihre eigenen Landespolitiker als provinzielle Deppen da -  und die AfD hat ihre Rolle der einzig echten Ost-Partei kommunikativ gefestigt. Ihr Narrativ von der Merkel-Herrschaft gegen den wahren Wählerwillen nährt sich so selbst. 

Wer rassistischen Opportunisten solche Chancen eröffnet, egal ob aus Naivität, Postengeilheit oder Kalkül, wird am Ende der Verlierer sein. Parlamentarische Isolierung und die öffentliche Distanzierung garantieren nicht das Verschwinden des populistischen Rechtsradikalismus. Aber diese Prinzipien zu verletzten, ist verantwortungslos. Christian Lindner hat heute noch einmal bewiesen, mit Verantwortung für das Land nicht umgehen zu können.

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