Freitag, 12. Januar 2024

Ratlos gegen rechts ins Superwahljährchen?

Das konservative Dreierlei und drei Vorschläge nach vorn

Verkehrte Welt. Wer seine politische Biographie im rot-grün-rebellischen Geist gegen Aufrüstung, US-Imperialismus und ererbte Russlandfeindlichkeit gestartet hat, muss sich permanent schütteln. Denn seitdem Russland militärische Aggression als einen blutig-manifesten Faktor europäischer Machtpolitik wiederbelebt hat, bleibt einem keine andere Wahl, als alte Affekte zu bändigen.

Es sei denn, man bleibt ihnen „treu“ und ignoriert die Konsequenzen, die der Verzicht auf militärische Gegenwehr hätte - noch mehr Gewalt durch einen in seiner Strategie bestärkten Gewaltstaat.  

Wenn es früher einen Begriff gab, dem sich alle Linken trotz ihrer Differenzen verbunden fühlten, dann den des Fortschritts. Also den grundsätzlichen Zug der Geschichte, menschliche Gesellschaften in Richtung Gleichberechtigung und Gerechtigkeit, Wohlstand und friedliche Konfliktlösung fließen zu lassen, in den meisten Epochen verbunden mit einem optimistischen Verständnis von wissenschaftlich-technischen Entwicklungen.

Und nun: Extremisten erfreuen sich demoskopischer Zustimmung in bisher unbekannten Dimensionen, verdrängen in wichtigen Demokratien bürgerliche Parteien und drohen nun mit der Zerstörung der ältesten und mächtigsten Demokratie des Planeten. Auch hierzulande wirkt Mitte-Links ebenso ratlos gegen rechts wie die Union. In ostdeutschen Ländern scheint die Bildung parlamentarischer Mehrheiten gegen die Apologeten Putins und Propagandisten niederster menschlicher Instinkte immer schwerer.

Dazu kommt eine Talkshowkönigin mit einem Angebot für jene, die linke Umverteilungsträume mit antiwestlichem Revisionismus verknüpfen wollen. Wer bis in die Mitte des politischen Spektrums hinein johlende Zustimmung provozieren will, muss nur in den Wettbewerb um die hässlichste Attacke auf grüne Spitzenpolitiker eintreten.

Das alles zwingt die demokratische Linke in eine ungewohnte Position: Statt, wie über mehr als 150 Jahre gelernt, für gesellschaftlichen Fortschritt, also Veränderung in Richtung einer besseren  Zukunft einzustehen, ist sie heute eine konservativ-bewahrende Kraft. Rot und Grün werden in die Rolle gedrängt, gegen starken Widerstand die repräsentative Demokratie und Westbindung zu verteidigen.

Auch der gute alte Konservatismus hat es nicht leicht. Sichtbar am Niedergang der zentristischen Parteien in großen Teilen Europas und den USA. Aber auch an der mühsamen Suche der hiesigen Union, klar und abgrenzend zu beschreiben, welche Werte denn ihre Gemeinschaft verbinden und welche Positionen nicht hineinpassen.

Dass sie noch nie Programmparteien waren, hat CDU und CSU in der Vergangenheit nicht geschadet. Seitdem aber die Treue zum klassischen Familienbild mit überkommenen Geschlechterrollen, kirchliche Wurzeln und im Zweifel der Vorrang von Wachstums- gegenüber Umweltzielen nicht mehr als Kit taugen, leidet auch die Union unter der Zersplitterung der gesellschaftlichen Mitte. Also an der Not, zugleich ihre alte, kleinstädtisch-kulturkonservative Kernklientel und das moderne, eher urbane, liberal-weltoffene Bürgertum zu erreichen. Sichtbar am Bemühen des Partei- und Fraktionsvorsitzenden, den Sauerlandismus als CDU-Leitmeldodie auch in Berlin, Schleswig-Holstein und den anderen Teilen NRWs durchzusetzen.

Eine Wurzel dieses Problems: Auch der aufstrebende Rechtspopulismus spricht konservative Bedürfnisse an, die aber mit dem staatstragendem Konservatismus der Union kollidieren. Die Überforderung vieler durch permanenten Innovationsdruck, nagende Krisen und den Verlust von Gewissheiten hat antimoderne Abwehrreflexe zu einem gewichtigen politischen Faktor wachsen lassen. Im schnell gewachsenen Reservoir von AfD-Wahlwilligen geht die Abneigung gegen Wärmepumpen, Schwulenpartys, Migranten und globalisierten Kapitalismus so weit, dass die Hemmschwellen zum umstürzlerischen Rechtsextremismus flugs verdampft sind.

So zeigt die politische Landschaft aktuell schwere Schlagseite: Einen breiten Wettbewerb um den besten Konservatismus.

Alle wollen bewahren und schützen. Alle suchen als Reaktion auf Verunsicherung und Segmentierung der Wählerschaft ihr Heil im Versprechen, den Status quo so gut wie möglich zu bewahren. Nur dass die rechtspopulistische Öffentlichkeit darunter die „gute“ alte Zeit von reinrassiger Recht-und-Ordnung-Welt plus Ewigkeitsgarantie für Verbrenner versteht, die rot-grüne Szene einen defensiv-trotzigen Verfassungspatriotismus („Wir standen schon immer auf der richtigen Seite der Geschichte“) und die demokratisch-konservative Welt solide Staatstreue mit einer Portion wehmütiger Erinnerung an Ludwig Erhard und Dalli Dalli.

Nun könnte man dieses konservierende Dreierlei als eine blöde Verirrung der politischen Ideengeschichte abhaken. Aber die Lücke, die sie hinterlässt, hat Folgen: Es fehlt ein Politikangebot „nach vorne“. Und damit eine Idee von der Zukunft, die mit mehr lockt als möglichst wenig Verlust. Verlust an Wohlstand, Status und Rente, belebter Umwelt, Werten, Hausärzten und Busverkehrstakt.

Während die Soziologie beschreibt, wie persönliche Verunsicherung und Verlust an gefühlter Selbstwirksamkeit die Kohäsion in der Mitte der Gesellschaft zerstört, ist das Versprechen der demokratischen Politikanbieter, die Verluste an Lebenschancen zu begrenzen? Klingt nicht nach einem entschlossenen Konter. Und führt, etwa am Beispiel der SPD, dazu, dass man sich selbst bei der Bedeutungserosion zuschaut, dies aber in wohliger Selbstversicherung, dem Kernversprechen von „abfedernder“ Sozialpolitik auch im großen Wandel treu geblieben zu sein. Schließlich durfte man doch den Kanzler stellen nach einem Wahlkampf, dessen sichtbare Versprechen sich in mehr Mindestlohn und stabiler Rente erschöpften.

Dabei blickt der treueste Teil ihrer Wählerschaft den letzten drei oder vier Bundestagswahlen seines Lebens entgegen, während die Jungwähler sich immer offener für harten Rechtsextremismus zeigen. Es ist nicht mehr Opa, der stolz vom großen Krieg erzählt, es sind viele Junge, die sich von Autokraten Heil versprechen.

Die FES erhebt im Zweijahresrhythmus die Verbreitung rechtsextremer Positionen in Deutschland (Link). Der Anteil der Menschen mit klarer Abgrenzung gegen Rechtsaußen ist zuletzt, nach vielen Jahren großer Stabilität, von 86,2 auf 71,6% geschrumpft. Jüngere bis 34 Jahre  pflegen nun fast dreimal häufiger ein geschlossen rechtsextremes Weltbild als Ältere über 65. Nicht nur harter Rechtsextremismus hat stark zugelegt; auch das, was die FES Graubereich nennt, also Offenheit für mehrere Aspekte von Rechtsextremismus, hat sich fast verdoppelt.

Die programmatisch-defensive Erstarrung der ehemals “progressiven“ Mitte-Links-Parteien fällt zusammen mit dem Verlust des Generalkonsenses für Demokratie und ihre Institutionen. Während die Rechten die Grenzen des Sagbaren immer weiter verschieben und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit aus den Schmuddelecken des Parteienspektrums in den Alltagsdiskurs eindringt, kontert der traditionell stärkste Kern der Antifaschisten mit nichts mehr als Schadensbegrenzung gegenüber den Veränderungen, die über uns schicksalhaft hinweg rollen. Repräsentiert durch eine Bundeskanzlerkommunikation, die von Gestaltungsfreude und Zukunftsideen so weit weg ist wie Arminia Bielefeld von der Champions League.

Lag Ralf Dahrendorf mit seiner Analyse vielleicht doch richtig, dass sich die Sozialdemokratie zu Tode gesiegt hat und nach Bildungsaufstieg sowie breiter Emanzipation von Arbeiterschaft und Frauen keine neuen Visionen zu erobern sind? Hat sie vielleicht wie die Union massive Probleme, eine zeitgemäße Rolle für sich selbst zu definieren, die über die nostalgisch warme Erinnerung an ehemals klare Fronten nach außen und Schulterschluss im Inneren hinaus gehen?

Es wäre eher ein Wunder, wenn es anders wäre. Die SPD entstand in einer Zeit, in der nationalistischer Kolonialismus, wie ihn heute Putin wiederbelebt, zum selbstverständlichen politischen Kanon aller europäischen Nationen zählte. Als Frauen wenig galten, Arbeiter systematisch ausgebeutet wurden und Adel und Kirchen den autoritären Ton angaben. Und wie in allen Parteien (und anderen Vereinen) erhalten intern stets jene den meisten Applaus, die an die Vorbilder der Altvorderen erinnern. Parteien verfügen über einen Automatismus, stets die Treue zu den Wurzeln zu feiern, statt das unentdeckte Land der Veränderung zu suchen. Vor diesem Hintergrund ist die SPD noch recht erfolgreich gealtert.

Aber nicht nur historisierende Beharrung steht einer positiven linken Vision für das 21. Jahrhundert im Weg. Auch der Ampel-Alltag erdrückt. Wenn die Dauerkrise das beherrschende Merkmal der Gegenwart ist, reduziert sich Politik auf ihre Eindämmung. Und hier blockiert die Mechanik der Ampel den sozialdemokratischen Lösungsweg. Seit Mario Draghi der Weltfinanzkrise mit seinem „whatever it takes“ die schärfsten Zähne zog, indem er mit massiven öffentlichen Mitteln drohte, um den Finanzmärkten die Lust an Weltuntergangsspekulation auf den Euro zu nehmen, stand dieser selbstbewusste Umgang mit öffentlichen Riesensummen auch bei Pandemie und Krieg im Zentrum des Scholz’schen Krisenmanagements..

Dieser Mechanismus kollidiert mit dem festgetackerten Mantra der Bundesfinanzministerpartei. Das Ergebnis, massiv verschärft durch Karlsruhe, ist eine Bundesregierung, die ihre schulterzuckende Ratlosigkeit auch öffentlich nicht verbergen kann. Damit steigen die Sorgen vieler, den Verschlechterungen schutzlos ausgeliefert zu sein. So trägt die Koalitionsverkantung zum größten Problem bei - zur Verunsicherung der den Krisen ausgesetzten Öffentlichkeit und zur Bestätigung des „es wird alles immer schlimmer“-Schnacks.

Nun wäre das ein überschaubares Problem, wenn die demokratische Opposition auf Grundlage wachsender Zustimmung für  ihre Alternativkonzepte die Regierungsübernahme vorbereiten könnte, um dann zu beweisen, dass „sie es besser kann“. Doch weder verfügt die Union über ein Gegenkonzept noch über Köpfe, die bei der Mehrheit optimistische Wechselstimmung auslösen. Im demoskopischen Persönlichkeitsranking ist die Anzahl der Spitzenpolitiker, die im Durchschnitt positiv bewertet werden, auf 1 oder 2 von 10 geschrumpft. Keineswegs schneidet die Opposition grundsätzlich besser ab als die Koalition. Die Bevölkerungsmehrheit zeigt sich zutiefst unzufrieden mit der Regierungsmehrheit, setzt zugleich aber kaum Hoffnungen auf einen demokratischen Machtwechsel.

Damit hat die repräsentative Demokratie ein echtes Legitimationsproblem. Und das zu Beginn eines „Superwahljährchens“ mit der Europawahl als traditioneller Bühne für Proteststimmen und drei Landtagswahlen mit der Poleposition für Rechtsextreme.

Höchste Zeit für neue Kommunikation der Demokraten. Nur wenn dem Wahlvolk politische Angebote vermittelt werden, die eine Neubewertung ihrer Macher anstoßen, kann Deutschland die Kurve kriegen und repräsentative Demokratie wieder greifen. Also der Wettbewerb jener Köpfe, denen man die Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten am ehesten zutraut - statt der Verzwergung von Parlamentswahlen zur Volksabstimmung über das gerade hotteste Aufregerthema.

Dazu drei Vorschläge:

1. Den Rechten den Nimbus des Erhaltenden streitig machen

Wer die EU attackiert, vernichtet die wichtigste wirtschaftliche Basis Deutschlands. Und die einzige Chance, als Mittelmacht weiter weltweit Einfluss zu nehmen. Wer Menschen nach Hautfarbe, Herkunft oder anderen willkürlich gewählten Merkmalen in ihrer Wertigkeit sortiert, vernichtet mit dem Menschenbild des Grundgesetzes die Grundlage unseres Zusammenlebens. Wer sich weigert, Klimawandel zu bekämpfen, schafft unvorstellbare Fluchtbewegungen und zerstört auch hierzulande Lebensgrundlagen. Wer Putins Russland mit dem Westen gleichsetzt und Deutschland außen- wie sicherheitspolitisch genau dazwischen positionieren will, entzieht unser Land der Wertegemeinschaft von Nationen, denen Demokratie, Gewaltenteilung, Rechtsstaat und individuelle Freiheitsrechte heilig sind. Und wer rhetorisch immer wieder die Lust am Umsturz kitzelt und völkische Staatsfeinde hofiert, bedroht inneren Frieden, zivilisiertes Zusammenleben und persönliche Sicherheit.

Die Folgen einer AfD-Mehrheit wären das Gegenteil von bewahrend. Nicht der Erhalt von als schützenswert erachteten Lebensmodellen in Abgrenzung zu „woken“ Besserwissern wäre das Ergebnis. Sondern das Ende all dessen, was unser Land in seiner Vielfalt zusammenhält, wirtschaftlich stark macht und gute Lebenschancen für jede und jeden Einzelnen bietet.

Wir sollten endlich aufhören, uns auf die diskreditierende Wirkung des Attributs „rechtsextrem“ zu verlassen, wo es um die AfD geht. Und stattdessen klar und deutlich aussprechen, was ganz real die zerstörerische Wirkung von AfD-Politik wäre.

Und wir sollten aufhören, die Themen der Debatte von der AfD diktieren zu lassen. Den Wettbewerb um die strikteste Zuwanderungskontrolle werden immer die anderen gewinnen. Stattdessen ist es unsere Pflicht, eigene Themen zu setzen und unsere Stärken auszuspielen.


2. Eine neue Fortschrittserzählung etablieren

So wertvoll für Parteien gemeinsame Wurzeln im Inneren sind - gewählt werden sie für glaubwürdige und attraktive Zukunftspläne. Deshalb gehört die Leidensform ersetzt, mit der Rote und Grüne bisher die Geschichte von Transformation und Dekarbonisierung erzählen. Nämlich als Schicksal, das über die Welt kommt und dessen Folgen so gut wie möglich zu mindern sind.

In der Loslösung von fossilen Energiequellen liegt eine große Befreiungsgeschichte verborgen. Warum nur erzählt sie keiner?

Sobald wir uns freischwimmen von Kohle, Öl und Gas und unsere Energie nicht mehr „verbraucht“, sondern schadlos jeden Tag aufs Neue erzeugt wird, macht das eine neues Level von Wohlstand möglich. Eine Gesellschaft auf Grundlage erneuerbarer Energiequellen und nachwachsender Ressourcen kann sich freimachen von den „Grenzen des Wachstums“, die am Beginn des technologiekritischen Zukunftspessimismus Anfang der 70 angemahnt wurden. Sie kann reisen und heizen, bauen und produzieren, ohne die Abhängigkeit von Rohstoffdiktatoren zu vergrößern oder Lebensräume verdorren zu lassen.

Und sie befreit sich vom Automatismus begrenzt vorhandener Güter (wie Öl), auf Sicht zwangsläufig teurer zu werden. Stattdessen wird der Preis erneuerbar erzeugter Energie mit dem Ausbau ihrer Kapazitäten weiter sinken. Dekarbonisierung ermöglicht erstmals in der Wirtschaftsgeschichte dauerhaft sinkende variable Energiekosten. Was für eine Chance für Deutschland, vorn dabei zu sein!

Die Transformation lässt sich als große Chancengeschichte erzählen. Damit verschwinden nicht die Hürden auf dem Weg dahin. Aber sie wird zur politisch attraktiven Vision statt, wie heute, zum miesmuffeligen Abwehrkampf rund um Verzichtsappelle. Zu einer Vision, die wirtschaftliche Chancen wie persönliche Freiheiten vergrößert.


3. Repräsentationsbedürfnisse ernst nehmen

Zum Kontern der Rechten gehört auch, die legitimen unter den Anforderungen ihrer Wählerschaft zu identifizieren und ein Angebot für sie zu formulieren. Kern dieses Angebots muss es sein, echten Respekt und Rückendeckung für ihre Vorstellungen von Zusammenleben und Gemeinschaft zu vermitteln, ohne sie gegen andere Vorstellungen auszuspielen.

Basis der gefühlten Ausgrenzung ist die Wahrnehmung vieler, vergessen oder geringgeschätzt zu sein, obwohl sie sich als Mittelpunkt von Normalität erleben. Wer vom Eindruck geprägt ist, von der neuen gesellschaftlichen Elite für eine aussterbende Gattung gehalten zu werden, aber eigentlich mit seiner Leistung den Laden am Laufen zu halten, verliert den Glauben an „das System“ und „die da oben“.

Diese Repräsentationslücke ist allein programmatisch nicht zu füllen, sie beruht im Kern auf kulturellen Bruchlinien. Nur so konnte Gendern zu einem Leuchtturm der erlebten  gesellschaftlichen Spaltung werden: Obwohl faktisch die große Mehrheit ihre Sprachgewohnheiten nicht verändert hat und sie somit die Sprachwirklichkeit unverändert dominiert, fühlt sich ein Teil dieser Mehrheit in seiner verbalen Souveränität bedrängt oder zurückgesetzt.

Niemand könnte glaubwürdig das große Revival der homogenen unteren Mittelschicht versprechen, wie sie in den 70er-Jahren kulturell dominiert hat. Aber die politische Welt, inklusive der Roten und Grünen, könnte doch anerkennen, dass dieser Teil der Mitte weiter zahlreich ist und einen Anspruch auf demokratische Vertretung hat. Was zu einer geradezu banalen Antwort führt: Typen ins Rennen schicken, die zumindest die Möglichkeit in sich tragen, als „eine oder einer von uns“ durchzugehen.

Der demoskopische Senkrechtstarter des letzten Jahres kann hier Mut machen: Der Verteidigungsminister war allein wegen seiner kommunikativen Selbstverständlichkeit der Shooting Star (hö) in den Beliebtheitscharts. In einfachen Worten zu sagen, was ist, und dann konkrete Lösungen anzugehen, wird auch dann noch belohnt, wenn es ein Sozialdemokrat tut. Einer, dem man zutraut, früher auch mal selbst bei seinem Käfer oder Wartburg die Zündung eingestellt zu haben und sich als Ortsvorsteher mit natürlicher Autorität zwischen Schweinemästern und Windbauern durchzusetzen, wird von vielen deutlich eher für voll genommen als Kandidierende, die spürbar über Jahrzehnte geschliffen wurden zwischen den Empfindlichkeiten aller innerparteilichen Anspruchsgruppen und den lebensfernen Codes der Ministerialbürokratie.

Mehr Bühne für Leute wie Laumann und Reul, Pistorius, Rehlinger, Ramelow oder auch Hofreiter - und die repräsentative Demokratie würde auf das Repräsentationsdefizit eines wichtigen Teils der Gesellschaft mit ihrer Kernkompetenz antworten: Köpfe anbieten, die nicht nur für eine fachpolitische Einzelfrage stehen, sondern denen man zutraut, „einer von hier“ zu sein und das schon vernünftig zu machen in diesem verrückten Politikbetrieb.